Ayacucho: Staatsanwaltschaft untersucht Massengrab mit 28 Leichen

Die Überreste von mindestens 28 Bauern aus der peruanischen Region Ayacucho, die vermutlich von Angehörigen des peruanischen Militärs während des internen Konfliktes der 80er und 90er Jahre getötet wurden, hat die für Menschenrechtsfragen zuständige Staatsanwältin Jhousy Aburto Garavito im Mai bei Chungui exhumieren lassen. Die Toten, darunter sieben Kinder, wurden nach Angaben der Staatsanwaltschaft ohne Prozess und ohne Beweise als schuldig befunden, der Terrororganisation „Sendero Luminoso“ (Leuchtender Pfad) anzugehören und in der Militärbasis in Chungui – Hautstadt des gleichnamigen Distrikts in der Provinz La Mar – zwischen 1984 und 1985 gefoltert und umgebracht. Ihre Leichen wurden nun in Chuschihuaycco, auch genannt „El Cementerio de los Terrucos“ (dt. der Friedhof der Terroristen) gefunden. Dieser Ort ist rund 10 Gehminuten von der Militärbasis entfernt. 11 Personen konnten bislang identifiziert werden.

Chungui war während des internen Konfliktes in Peru für „Sendero Luminoso“ (SL) ein wichtiger Rückzugspunkt, da er für Polizei und Militär aufgrund seiner Lage und fehlender Anfahrtswege nur schwer zugänglich war. Bereits zuvor waren die Ortschaften des Distriktes untereinander zerstritten, unter Anderem eine Folge des Großgrundbesitzertums. Dies nutzte Sendero Luminoso aus, um die Bewohner des Distrikts gegeneinander auszuspielen.

Im Jahr 1982 überfielen, wie aus dem Bericht der Wahrheits- und Versöhnungskommission (CVR) hervorgeht, SL-Einheiten die Zuckerrohrsirup-Produktionsstätte des Örtchens Chapi und zwangen zahlreiche Menschen, sich ihnen anzuschließen. Zudem töteten sie den Ortsvorsteher von Chungui, Leonidas Roca und richten im nahegelegenen Yerbabuena ein Massaker an. Als dies in der nächstgelegenen Militärbasis bekannt wurde, machten sich eine benachbarte Bürgerwehr und eine Militäreinheit auf den Weg nach Chapi, wo sie unter Folter Geständnisse erzwang, wer im Ort die SL-Einheiten unterstützt habe. Die in den Geständnissen erwähnten Personen wurden festgenommen und in das berüchtigte „Frontón“-Gefängnis gesperrt, das mehrere von ihnen nie wieder verließen. In Yerbabuena werden ebenfalls 12 angebliche SL-Anhänger festgenommen. Von ihnen fehlt bis heute jede Spur. Als SL davon Kenntnis erhielt, kamen auch die Terroristen wieder nach Chapi und töteten ihrerseits drei Personen, die – ebenfalls unter Folter – von Dorfbewohnern als „Verräter“ identifiziert worden waren.

Die nun gefundenen Leichen stammen aber wahrscheinlich aus den Jahren 1984 oder 1985, als der Armeehauptmann Víctor Zamora Lugo alias „Samuray“ in Chungui das Kommando übernahm. Der Hauptmann, den der CVR-Bericht als den „blutrünstigsten und gewaltätigsten“ bezeichnet, den Chungui jemals gesehen hatte, ist, wie ein 60jähriger Mann gegenüber der Wahrheitskommission erklärte, auch verantwortlich für den Tod von Maurino Quispe. Maurino Quispe war Vorsitzender der -eigentlich vom Militär unterstützen- örtlichen Bürgerwehr, wurde aber -ohne Beweise- beschuldigt, Kontakte zu Sendero Luminoso zu pflegen. Seine sterblichen Überreste konnte Staatsanwältin Aburto Garavito bereits identifizierten. Nun will sie die Verantwortlichen des Militärstützpunktes Chungui vor Gericht bringen.

NACHTRAG: Identifizierte Opfer bereits beigesetzt

Die 11 bereits identifizierten Leichen wurden vorgestern, am 7. September, nach einem Marsch um den Hauptplatz von Ayacucho, der Totenwache und einer Messe in der Kathedrale beigesetzt. 10 der Toten wurden auf dem Friedhof von Chungui, einer in Ayacucho selbst beerdigt.

Angehörige von Opfern des internen Konflikts warteten Präsidentschaftswahl ab

Wie sich langsam herauskristallisiert, ist die derzeitige Häufung von Massengräbern mit Opfern illegaler Hinrichtungen aus der Zeit des internen Konfliktes kein Zufall. So erklärten kürzlich Angehörige von einem der Bauern, die bei Santa (Region Áncash) in einem Massengrab gefunden worden waren in einem Zeitungsinterview, sie hätten das Grab bereits einige Wochen zuvor entdeckt. Sie hätten dann allerdings noch abgewartet, dass Keiko Fujimori – Tochter des ehemaligen peruanischen Diktators Alberto Fujimori – die Wahl nicht gewinnt und somit keine Handhabe hat, die Ermittlungen zu beeinflussen.

Das Kapitel über Chungui aus dem Bericht der Kommission für Wahrheit und Versöhnung, CVR, kann hier heruntergeladen werden! 

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