Warum das Indígena-Konsultationsgesetz in Peru bis heute nicht angewendet wird…

…erklärt der peruanische Journalist Marco Sifuentes in einem Beitrag für den Informationsdienst INFOS, der im Folgenden  zusammengefasst wird:

Kurz nach seinem Amtsantritt 2011 hat Perus Präsident Ollanta Humala öffentlichkeitswirksam ein Gesetz unterzeichnet, das den Staat dazu verpflichtet, vor Verwaltungsakten und Neuregelungen, die Indígena betreffen, ein Konsultationsverfahren durchzuführen. Das bedeutet, dass Indígena, also Nachkommen peruanischer Ureinwohner, die bis heute nach ihren Traditionen und auf dem Land ihrer Ahnen leben; im besten Fall sogar noch deren Sprache sprechen, um ihre Meinung gebeten werden müssen, bevor Entscheidungen getroffen werden, die sie betreffen. Abgelehnt werden kann die Entscheidung nicht. Aber sie kann unter Umständen den örtlichen Gegebenheiten angepasst werden.

Konsultationsverfahren wiederholt verschoben

Seit Monaten wird nun das erste Konsultationsverfahren angekündigt, es geht dabei um das Öl-Bohrfeld 1AB in der nordostperuanischen Region Loreto. Dort möchte das Unternehmen Pluspetrol weiter Öl fördern, muss allerdings noch Altlasten entfernen, vergangene Öl-Förderprojekte haben ein Umweltdesaster hinterlassen. Indígena-Organisationen aus der Region fordern, zunächst die Altlasten zu beseitigen. Der Beginn der Konsultation wird derweil immer wieder verschoben. Ähnlich wie an anderen Orten, wo Konsultation angekündigt wurde.

Knackpunkt Indígena-Datenbank

Bis Ende 2013 sollen trotz allem mindestens fünf Konsultationsverfahren durchgeführt werden. Aber: Bis heute hat das Kulturministerium die zentrale Datenbank nicht veröffentlicht, in der die indigenen Völker Perus eingetragen sind, die ein Anrecht auf Konsultation haben. Offiziell ist diese Datenbank noch nicht fertig. In Wirklichkeit liegen die Daten längst vor, mutmaßt Sifuentes, der ständige Aufschub liegt nach ihm viel mehr darin begründet, dass die Regierung eine Welle von Konsultations-Forderungen fürchtet, sobald die Datenbank veröffentlicht wird. Oder aber Klagen von Ortschaften, die gerne aufgenommen werden möchten. Während, so Sifuentes, im Amazonas-Becken eine Abgrenzung zwischen Indígena- und Nicht-Indígena-Bevölkerung möglich ist, sei dies insbesondere im Andenraum schwierig.

Müssen 90.000 Bergbaukonzessionen „nachkonsultiert“ werden?

Zudem herrscht offenbar Unsicherheit, wie mit den 90.000 Bergbaukonzessionen umgegangen werden soll, die seit 1995 vergeben wurden. Damals hat Peru das Übereinkommen 169 der internationalen Arbeitsorganisation ILO ratifiziert – und sich damit zur Konsultation verpflichtet. Nach Ansicht mancher Juristen könnten Indígena-Organisationen gegen solche Konzessionen klagen. Der Journalist Marco Sifuentes vermutet, die peruanische Regierung habe Angst vor einer dann anstehenden Klagewelle und versuche daher, das Thema aus den Medien zu halten, einzelne Konsultationsverfahren mit den etablierten Indígena-Dachverbänden durchzuführen und gleichzeitig Stück für Stück nachträglich Konsultationsverfahren für die vergebenen Bergbaukonzessionen durchführen zu lassen – wenn eine Indígena-Gemeinschaft dies einklagt.

Verbreitete Konsultations-Irrtümer

Schließlich klärt der Autor noch eine Reihe verbreiteter Irrtümer über das Konsultationsverfahren auf:

  • es ist nicht bindend. Es gibt keine Abstimmung – und falls doch, ist diese dennoch nicht binden.
  • nur, weil ein Ort abgelegen liegt oder eine organisierte Bauernschaft hat, stellt er noch keine indigene Gemeinschaft dar, die konsultiert werden muss (was für große Teile von Cajamarca gilt, nicht aber für Cañaris, wo die Umgangssprache zu einem großen Teil bis heute Quechua ist).
  • es geht nicht nur um Bergbau. Auch andere Bereiche, beispielsweise die Gesundheitspolitik, die Indígena im speziellen betrifft, muss (eigentlich) vorab konsultiert werden.

Dabei ziehen sich auch Konflikte durch die Regierung. So gilt insbesondere Bergbau- und Energieminister Jorge Merino als Bremser, was die Veröffentlichung der Namen von Gemeinschaften, die auf Gebieten mit vergebenen Bergbaukonzessionen leben, angeht.

Augenhöhe und Angst vor heißen Kartoffeln

Sifuentes‘ Fazit: Die Regierung hat Angst, sich an der „heißen Kartoffel“ zu verbrennen, bremst lieber und überlässt das Thema den Gerichten, die den Behörden Zeit verschaffen, Stück für Stück Lösungen für Einzelfälle zu finden. Das Gute an der Sache: Indígena-Organisationen haben dadurch Drohpotenzial, sie können das Konsultationsverfahren notfalls gerichtlich erzwingen. Zum ersten Mal verhandle Peru mit seinen indigenen Gemeinschaften auf Augenhöhe, schließt Marco Sifuentes.

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