Peru: Auswege aus dem Conga-Dilemma

Logo des Dossiers "Wasserkonflikte".In der nordperuanischen Andenregion Cajamarca bereiten sich Umweltaktivisten und Regionalregierung auf neue Protestaktionen gegen das Bergbauprojekt „Conga“ vor, von dem sie Gefahren für das Ökosystem und die Wasserqualität rund um Ortschaften auf der Ostseite der Anden befürchten. Auch die Regierung bereitet sich vor, bereits vor Wochen wurden weitere Polizeikräfte in die Region verlegt. Der Grund: Bereits für vergangenen Montag angekündigt und inzwischen zweimal verlegt war die Veröffentlichung eines Gutachtens dreier Experten aus Europa und den USA über die Umweltverträglichkeitsprüfung, die dem Bergbauprojekt zu Grunde liegt.

Die Regierung erhofft sich, dass ihr durch das Gutachten die Entscheidung darüber, ob „Conga“ durchgeführt werden kann oder nicht, abgenommen wird – und, dass „Conga“ durchgeführt werden darf, möglicherweise mit einigen zusätzlichen Auflagen. Sollte es dazu kommen, wird es wohl neue Proteste in Cajamarca geben. Die Wege für einen einfachen Kompromiss sind bereits seit Monaten verstellt, die Fronten verhärtet. Währenddessen versucht die Zentralregierung, durch die Förderung von Infrastrukturprojekten den Streikwillen zu brechen. Denn die Proteste entflammten zunächst nicht nur wegen der befürchteten Wasserverschmutzung, sondern vor auch wegen in der Vergangenheit gebrochener Versprechen des „Conga“-Betreibers Yanacocha, den Bau von Infrastruktur voranzutreiben. Die Umweltaktivisten, zu einem großen Teil Landwirte aus der Provinz Celendín, fürchten insbesondere den Eingriff in den Wasserkreislauf durch die Nutzung von vier Bergseen für den Tagebau und als Abraumhalden. Die Umweltverträglichkeitsprüfung wurde von der Vorgängerregierung offensichtlich ohne ausreichende Prüfung angenommen.

Im Folgenden sollen einige Szenarien aufgezeigt werden, die Umweltaktivisten und Regierung derzeit zur Verfügung stehen.

Szenario 1: Die Gutachter sagen „Conga läuft so, wie es ist“

Das wäre das Horrorszenario. Die Fronten würden sich wohl weiter verhärten. Aktivisten und Regionalregierung würden ihr Gesicht verlieren, wenn sie die Proteste einfach aufgeben würden. Die Zentralregierung wäre zum Handeln gezwungen, um beispielsweise gegen Straßenblockaden vorzugehen. Premierminister Oscar Valdés, ehemals Innenminister und Soldat, würde wohl auf möglichst hartes Durchgreifen setzen. Nicht zuletzt auch die schlechte Ausrüstung der Polizei, sowie entsprechende Einsatzpläne würden wohl zu gewaltsamen Zusammenstößen führen. Wie die Vergangenheit zeigt, wahrscheinlich mit Toten und Verletzten.

Szenario 2: Die Gutachter sagen „Conga ja, aber nicht so“

Das ist das derzeit realistischste Szenario. Es bietet allen Seite die Möglichkeit, sich aus der Affäre zu ziehen und dabei das Gesicht zu bewahren. Die Protestbewegung würde vermutlich gespalten in Hardliner, die „Conga“ um jeden Preis verhindern wollen und denjenigen, die konstruktiv bei der Veränderungen der Projektplanungen mitwirken möchten. Die Regierung würde noch intensiver in Infrastruktur investieren, um Arbeitsplätze zu schaffen und möglichst vielen Unzufriedenen, die bislang an Anti-Conga-Protesten teilnahmen, die Grundlage zur Kritik zu entziehen. Gleichzeitig würde die Regierung wohl auf eine strikte Umsetzung der von den Projektbetreibern versprochener sozialer Hilfsprojekte pochen. Es würden wohl einzelne Modifikationen am „Conga“-Projekt vorgenommen, möglicherweise würden mehr Wasserresservoirs gebaut oder nicht, wie bislang geplant, vier Bergseen zum Schürfen und für den Abraum trocken gelegt, sondern eine geringere Anzahl. Gemäßigte Aktivisten und die Regionalregierung von könnten das als Erfolg für sich verkaufen, die Regierung hätte ihren Grundsatz von „Gold UND Wasser“ durchgesetzt und der Projektbetreiber könnte weiter machen, lediglich die „Hardliner“ würden weiter kämpfen – im schlimmsten Fall mit extremen Mitteln. A propos Projektbetreiber: Ein Grund dafür, dass den Versprechen der „Conga“-Betreiber kaum einer Glauben schenkt, liegt in diesen selbst. Seit Jahren betreibt dieser die nahegelegene „Yanacocha“-Goldmine und hat sich dabei als relativ unzuverlässiger Partner für Infrastruktur- und Sozialprojekte präsentiert. Als dies im vergangenen Jahr publik wurde, wurde kräftig investiert – allerdings nicht in die Projekte, sondern in Öffentlichkeitsarbeit. Das bringt uns zu einer weiteren Möglichkeit, die weitgehend mit diesem Szenario übereinstimmt:

Szenario 3: Conga ja, aber ohne Yanacocha

Sollte es eine Möglichkeit geben, vor dem Hintergrund des Gutachtens Yanacocha beispielsweise eine bewusste Täuschung bei der Erstellung des Umweltverträglichkeitsprüfung nachzuweisen, könnte die peruanische Regierung nach Mechanismen suchen, dem Unternehmen die Konzession zu entziehen, ohne dafür vor einem Handelsgericht belangt werden zu können. Wie bei Szenario 2 könnten dies Unzulänglichkeiten bei der Prüfung oder den geplanten Umweltschutzmaßnahmen sein. In diesem Fall würde ein neuer Konzessionär gesucht, der das Projekt weiterführen würde. Dieser könnte unbelastet von Versäumnissen in der Vergangenheit arbeiten und sich durch soziale und Infrastrukturprojekte in den Ortschaften der Projektanrainer systematisch für ein positives Bild sorgen. Möglicherweise würden auch manche technischen Festlegungen – wie beispielsweise die Zahl der benötigten Bergseen – neu verhandelt. Das würde das Lager der „Conga“-Gegner ebenfalls spalten, vermutlich aber zu einem wesentlich kleineren Lager von Hardlinern führen. Die Regionalregierung könnte sich von einem neuen Betreiber den Schutz von Wasserressourcen garantieren lassen. Der derzeitige Konzessionär würde wohl nach rechtlichen Mitteln suchen, die Entscheidung anzufechten. Deshalb wäre eine saubere Vorarbeit des peruanischen Staates notwendig.

Szenario 4: Kein Conga

Das unrealistischste Szenario, bekamen die Gutachter doch den Aufrag, Verbesserungen für die Umweltverträglichkeitsprüfung vorzuschlagen – und nicht, Aussagen über die generelle Durchführbarkeit des Projektes  zu treffen. Für die Regierung würde es durch ein solches Ergebnis innenpolitisch einfacher, das „Conga“-Projekt zu beerdigen, das sie bisher verteidigt hat. Gleichzeitig müsste sie aber auf erwartete künftige Einnahmen zur Finanzierung der ambitionierten staatlichen Sozialprogramme verzichten. Zudem würde es wohl zu Klagen gegen den peruanischen Staat vor internationalen Handelsgerichten kommen, der Rechts- und Steuerstabilität garantiert. Für die Aktivisten wäre es ein Erfolg auf ganzer Linie, der wohl zu ähnlichen Protestaktionen in anderen Teilen Perus führen würde.

NACHTRAG: Umweltminister Vidal relativiert Gutachten bereits

Während sich herauskristallisiert, dass „Conga“ von den Gutachtern wohl mit ein paar Änderungen als durchführbar eingestuft wird, macht sich Umweltminister Manuel Pulgar Vidal, deren Gutachten ein wenig zu relativieren. Man müsse diesem „den Heiligenstatus nehmen“, so Pulgar Vidal. Das Gutachten soll rund 270 Seiten umfassen und liegt der peruanischen Regierung unbestätigten Medienberichten zufolge bereits seit gestern vor.

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