Gründe für seinen Rücktritt gibt es genug, viele seiner Vorgänger gingen wegen kleinerer Vorfälle: Perus Premier Oscar Valdés will einfach nicht zurück treten – und Präsident Humala traut sich offenbar aus Angst vor den Folgen der zweiten Premierministerentlassung in weniger als einem Jahr nicht, den Daumen zu senken. Oscar Valdés, dereinst Ausbilder in den ersten Jahren des heutigen Präsidenten beim Militär, war zuvor Innenminister und hatte in dieser Funktion auf hartes Durchgreifen gesetzt, insbesondere im Zusammenhang mit den -jetzt wieder aufflammenden- Protesten gegen das Bergbauprojekt „Conga“ in Cajamarca. Als Premierminister mit eher blassen Innen- und Verteidigungsministern in seinem Team setzte er diese Linie -offenbar mit der Zustimmung Ollanta Humalas- bei den Protesten der Seehecht-Fischer in Piura und nun auch bei den Protesten gegen das Bergbauprojekt „Tintaya“ in Cusco fort. In wie weit die Zustimmung des Präsidenten geht weiß keiner so genau, denn mit öffentlichen Stellungnahmen hält dieser sich weiterhin stark zurück – im Gegensatz zur First Lady, die weiterhin fleißig twittert. In Peru, wo der Verschleiß mehrerer Premierminister pro Legislaturperiode eher Regel als Außnahme ist, wäre unter anderen Umständen jeder der genannten Fälle ein Grund für den Rücktritt des Premierministers.
Erschwerend hinzu kommt aber auch noch die Handlung der Regierung im Zusammenhang mit einer Geiselnahme durch die Terrororganisation Sendero Luminoso in der südperuanischen Region Cusco, bei deren Lösung der Premierminister ebenfalls keine gute Figur abgab. Dass er dennoch weiter im Amt ist, lässt sich wohl auf zwei Wegen erklären: Er selbst hält sich für einen guten Premierminister, der mit harter Hand eine von der peruanischen rechten erträumte Ordnung, die niemals da war, wieder herstellen kann. Und: Präsident Humala hat Angst, in seinem ersten Regierungsjahr bereits den zweiten Premier zu verlieren. Im vergangenen Dezember war der damalige Premier Salomón Lerner wegen des „Conga“-Konflikts in Cajamarca zurück getreten, ein Schlag für den Präsidenten, der doch so auf Stabilität aus war, um bei all jenen, die bei der Wahl seine Kontrahentin bejubelten, inzwischen aber zu seinen größten Unterstützern gehören, um Vertrauen zu werben. Eben jenes Vertrauen fürchtet Humala nun wohl aufs Spiel zu setzen, würde er auch Oscar Valdés fallen lassen.
Präsident Humala ist dadurch in einer Zwickmühle. Er muss sich entscheiden, mit Oscar Valdés den Liebling der Wirtschaft zu halten oder aber denen entgegen zu kommen, die seine Wahl von Beginn an unterstützten. Mit jedem weiteren Tag, den Oscar Valdés als Premierminister beendet, werden weitere Spaltungen des Bündnisses, das Ollanta Humala an die Macht beförderte, wahrscheinlicher. Allein vorgestern verließen drei prominente Abgeordnete die Kongressfraktion des Regierungsbündnisses Gana Perú. Noch immer ist es die größte Fraktion. Doch insbesondere den Abgeordneten aus den ländlich geprägten Hochland- und Regenwaldregionen sitzen ihre Wähler im Nacken, unter denen die Unterstützung für den Kurs des Präsidenten stetig abnimmt. Sie hatten für einen Ollanta Humala gestimmt, der Nachverhandlungen von Freihandelsverträgen, höhere Steuern für Bergbauunternehmen und stärkere Umweltauflagen versprochen hatte. Der Abgeordnete Rubén Coa musste das gestern schmerzlich erfahren: Als er in Cusco erklärte, seine Trennung vom Regierungsbündnis „Gana Perú“ zu prüfen, wurde er ausgepfiffen und am weiterreden gehindert. Die versammelten Wählerinnen und Wähler forderten von ihm den sofortigen Austritt.
Vermutlich wünscht sich Präsident Humala, seinen Premier noch bis zum 28. Juli halten zu können. Dann ist Nationalfeiertag und das erste Jahr seiner Amtszeit vorbei, ein guter Zeitpunkt, den Premier auszuwechseln. Das ist allerdings eine vor allem für Peru riskante Strategie. Denn sie würde bedeuten, einen Deckel über Konflikte und Probleme zu stülpen, der erst Ende Juli – wenn bereits alles am Kochen ist – wieder angehoben wird. Der neue Premier wäre dann bereits voll damit ausgelastet, die vorhandenen Konflikte zu bearbeiten. Diese Strategie würde aber auch das weitere Schrumpfen der Fraktion des Regierungsbündnisses bedeuten, bereits jetzt haben einige Abgeordnete ihr Unbehagen mit dem Verbleib Oscar Valdés zum Ausdruck gebracht. Die Partei des Präsidenten könnte endgültig den Posten des Parlamentspräsidenten an die Opposition verlieren – und bei Abstimmungen auf das Votum der Parteien des ehemaligen Diktators Alberto Fujimori und dessen Tochter Keiko Fujimori angewiesen sein. Ein Szenario, das wohl zu noch härterem Vorgehen in Konfliktsituationen führen würde.
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