Das (nicht nur) peruanische Coca-Problem

Die Blätter des Coca-Strauches wurden von zahlreichen und werden von einigen andinen Kulturen als etwas sakrales verwendet, in religiösen wie auch in weniger religiösen Zeremonien. Viele Familien schwören auf Coca-Tee oder Mate de Coca als Hausmittel gegen fast jede nur vorstellbare Krankheit. Wanderer, Pferde- und Touristenführer schwören auf Coca-Blätter, um nicht höhenkrank zu werden. Bei Gemeinschaftsarbeiten auf dem Land  geht eine Tüte mit den getrockneten Blättern im Kreis durch die Gruppe. Und wie man sich anderswo auf ein Bierchen in der Kneipe trifft, kann es auch ein „bola“ genanntes Coca-Bällchen in der Backe tun, dessen Wirkung durch etwas Kalk verstärkt wird.

Das Problem: Ein großer -möglicherweise der größte – Teil des angebauten Cocas geht nicht in die Teeproduktion, wird nicht gegen Höhenangst, für religiöse Zeremonien oder als Bierersatz verwendet. Er wird in improvisierten Labors zu „Pasta Básica“ verarbeitet, was einen ersten Schritt zur Kokainproduktion darstellt. Darunter leiden dann nicht nur die Gesellschaften der Länder, in die das fertige Kokain dann „exportiert“ wird.

Klein- und Großbauern an den östlichen Hängen der Anden produzieren Coca. Ein Teil davon wird von dem staatlichen peruanischen Cocamonopolisten ENACO aufgekauft – Coca, das dann z.B. zu Tee weiterverarbeitet wird. Ein weiterer Teil geht in den „privaten“ Gebrauch, wird vom Produzenten selbst oder – wie Organisationen wie der Verband der Cocabauern Perus richtigerweise erklären – auf „traditionelle Weise“ z.B. in Zeremonien religiösen Charakters konsumiert. Wo ENACO aber nicht aktiv und eine andere Einnahmequelle nicht vorhanden ist, kommen diese Bauern leider viel zu oft bewusst oder unbewusst in die Fänge der Drogenmafia. Diese ist technisch sehr modern aufgestellt und verfügt über eigene Kampfeinheiten, was in den vergangenen Monaten bei zahlreichen Angriffen auf Posten der peruanischen Polizei oder des Militärs in den Tälern der Flüsse Apurímac und Ene (VRAE) schmerzlich offensichtlich wurde. Erst gestern kam bei einem solchen Angriff auf eine Kaserne ein Soldat ums Leben. Vor wenigen Wochen hatten Kampfeinheiten der Drogenmafia einen Hubschrauber der peruanischen Armee abgeschossen, als dessen Besatzung verletzte Soldaten bergen wollte.

Mehrere Radio- und Fernsehsender, die im VRAE angesiedelt sind haben deshalb nun eine Kampagne gestartet, die eine neue Debatte anfachen soll. „La hoja de Coca ahora es sagrada?“ Ist das Coca-Blatt noch heilig?

In einem kurzen Video wird dargestellt, dass Coca auch schon von den Kolonialherren missbraucht wurde. So wurden Minen- oder Plantagenarbeiter angehalten, in großen Mengen Coca zu konsumieren – um anschließend noch härter arbeiten zu können, ohne sich dessen bewusst zu sein.

Der kurze Film im CHACHABLOG soll der Beginn sein zu einer unregelmäßigen Serie von Beiträgen zur Coca- und Kokainproblematik in Peru, ein Problem, das in Peru schon mehrere Jahrzehnte debattiert und noch einige Jahre, wenn nicht Jahrzehnte, auf der Tagesordnung bleiben wird.


INFOAMAZONAS-Spezial Drogenprobleme und DrogenkonflikteMehr Informationen zum Thema „Peru“ und „Drogen“ finden Sie im Infoamazonas-Dossier Drogenprobleme.

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