Peru: Was ist und wo liegt das VRAE?

Lage des Flusses Apurímac, später Éne. Grafik: D. Raiser / INFOAMAZONAS.

Lage des Flusses Apurímac, später Éne*. Grafik: D. Raiser / INFOAMAZONAS.

Das Tal des Flusses Apurímac und Éne – ein und derselbe Fluss, der allerdings dort, wo er die Regionen Cusco und Ayacucho verlässt und nach Junín fließt, den Namen wechselt, ist ein peruanisches Flusstal, das durch den Anbau von Coca, die weitgehende Abwesenheit staatlicher Institutionen, sowie das Fortleben von Überbleibseln der Terrororganisation Sendero Luminoso (dt. leuchtender Pfad) traurige Berühmtheit erlangt hat. Obwohl seit über 30 Jahren als Problemfall auf dem Schirm, erhält das Tal, das in Peru als „VRAE“ bekannt ist, seit rund 5 Jahren erhöhte Aufmerksamkeit. Perus Streit- und Sicherheitskräfte versuchen verstärkt, gegen die Terroristen vorzugehen und den Anbau von Coca für die Drogenproduktion zurückzudrängen. Auch andere staatliche Institutionen versuchen erstmals, dort Präsenz zu zeigen. Schulen werden gebaut, Behörden errichten Büros und diverse Anreize sollen Unternehmen dazu bewegen, im VRAE zu investieren. Das Klima und das schwierige Terrain erschweren allerdings entsprechende Ansätze.

Anschläge und Entführungen machen VRAE den Ruf kaputt

Ein besonderer Entwicklungsplan, der 2007 ausgearbeitete „Plan VRAE“**, soll helfen, das Tal auf der Anden-Ostseite mit seinen vielen Nebentälern, voranzubringen. Doch die Umsetzung kommt nur schleppend voran. Die zusätzlichen Soldaten, die Bildungsprogramme, sie zeigen bislang nur langsame Fortschritte. Bis heute gilt in weiten Teilen des VRAE der Ausnahmezustand. Immer wieder kommt es im VRAE zu Terroranschlägen, besonders gegen Polizeistationen oder Militärbasen. Erst Anfang Mai wurde ein Soldat Opfer eines Scharfschützen, als er in einer Militärbasis Dienst tag. Immer wieder werden Militär- und Polizeiangehörige bei Patrouillenfahrten aus dem Hinterhalt angegriffen. Und seit im VRAE intensiver nach Terroristen gesucht wird, weiten diese ihren Aktionsradius aus. So wurden im April rund 40 Mitarbeiter des Erdgasprojektes „Camisea“ von der „VRAE“-Fraktion des leuchtenden Pfades entführt. Mitte Mai wurden Anhänger der „VRAE“-Fraktion des leuchtenden Pfades in Ucayali gesichtet. Immer wieder gibt es Berichte, Sendero Luminoso gehe gezielt in kleine Dörfer, zwinge alle Bewohner, an Versammlungen teilzunehmen, Lebensmittel zu besorgen und verteile Flugblätter, in denen zur „Revolution“ aufgerufen wird. Auch Kinder werden entführt, um sie zu indoktrinieren und zu Terroristen zu machen.

Premier Valdés verspricht „Befriedung des Vrae bis 2016“

Perus Premierminister Oscar Valdez. Foto: Jessica Vicente / ANDINA.

Träumt vom friedlichen VRAE: (Nicht nur) Premierminister Valdes. Foto: Jessica Vicente / ANDINA.

Und so kommt es häufig zu Verwechslungen, die mal schlimmere, mal weniger schlimme Folgen haben. Denn die vier Buchstaben „VRAE“ lassen in Peru aufhorchen. Der Grund, warum Terrorakte, die außerhalb des VRAE stattfinden, dennoch im VRAE verordnet werden: Spezialeinheiten von Polizei und Militär, die im VRAE stationiert sind, werden – aufgrund ihrer Ausbildung – häufig auch in umliegenden Gebieten eingesetzt. In Pressemitteilungen steht dann eben das Stichwort „VRAE“. Zudem: Für manchen peruanischen Hauptstädter ist der Rest des Landes ein einziges großes VRAE. Premierminister Oscar Valdés kündigte Mitte Februar an, das VRAE sei bis 2016 – dem Ende der Legislaturperiode „befriedet“. Daran wird sich die Regierung des amtierenden peruanischen Präsidenten Ollanta Humala messen lassen müssen.

Schlecht ist es für einen Ort, den Stempel „VRAE“ aufgedrückt zu bekommen, weil VRAE bislang den Ruf von Gefahr, Terrorismus und Drogenkriminalität in sich trägt. Nur langsam lassen sich Unternehmen und Behörden in das Tal locken, um alternative Perspektiven und Arbeitsplätze zum Coca-Anbau für die Kokain-Produktion zu bieten. Dem Stempel „VRAE“lässt sich aber auch etwas Gutes abgewinnen. Denn: Er weißt auf das nicht nur im VRAE akute Problem hin, mit dem der peruanische Staat vielerorts zu kämpfen hat. Trotz großer Anstrengungen hat es der Staat noch immer nicht vollständig geschafft hat, in der Fläche präsent zu sein. So könnte, werden Terror und Drogenmafia im VRAE dereinst besiegt, anderswo leider ein neues VRAE entstehen. Ganz allein kann der Staat das allerdings nicht schaffen: Wenn im VRAE keine Investitionen getätigt werden und der Zugang zu Absatzmärkten für dort produzierte Produkte nicht verbessert wird, sind die Aussichten, Coca-Produzenten umzuschulen, eher schlecht.

Tourismus leidet unter Terrorismus und Drogenmafia

Dabei hat das VRAE einiges zu bieten: Wilde Landschaften, traumhafte Wasserfälle, etwas Kultur und einige kulinarische Spezialitäten.  In Sivia gibt es sogar einen Zoo. Tourismusbehörden und Reiseunternehmer trauen sich allerdings nicht, Werbung für das VRAE zu machen. Der Grund: Touristen könnten im schlimmsten Fall als Geiseln genommen oder für den Drogenschmuggel missbraucht werden oder einfach ins Kreuzfeuer von Terroristen und Sicherheitskräften geraten. Auch das Auswärtige Amt  empfiehlt daher noch immer, einen Bogen um das VRAE zu machen. In den Sicherheitshinweisen des deutschen Außenministeriums heißt es: „Im VRAE kommt es gelegentlich zu Überfällen bewaffneter Gruppen auf Angehörige und Einrichtungen der Sicherheitskräfte. Eine Gefährdung von Reisenden kann nicht ausgeschlossen werden. Es wird empfohlen, die genannte Region zu meiden.“

Für diese und die kommenden peruanischen Regierungen bleibt also noch einiges zu tun und das nicht nur im VRAE selbst, sondern auch bei der Verhinderung der Entstehung weiterer VRAEs. Neben toten Soldaten und Polizisten hat das VRAE auch schon einige politische Opfer gefordert. Zuletzt mussten Verteidigungsminister Alberto Otárola und Innenminister Daniel Lozada Mitte Mai 2012 ihren Hut nehmen, weil sie der Situation im VRAE nicht Herr werden konnten.

Ein Fluss, viele Namen

Dort, wo der río Mantaro in den Apurímac fließt, wird dieser zum Éne. In diesen münden schließlich der río Perbene und der río Panga, wodurch aus dem Éne der río Tambo wird, der schließlich in den Ucayali mündet. Von der Quelle bis zur Mündung in den Ucayali ist es eine Strecke von ca. 690 Kilometern.

AKTUALISIERUNG (03.07.2012): VRAE wird VRAEM
Mit der Ausarbeitung eines neuen Aktionsplans hat die peruanische Regierung den Aktionsradius um das Tal des Flusses Mantaro erweitert. Dadurch wurde nun offiziell aus dem „plan VRAE“ ein „plan VRAEM“. Damit wurden auch die Provinzen Satipo, Huancayo und Concepción in der Region Junín mit einbezogen. Eine komplette Liste der betroffenen Regionen, Provinzen und Distrikte finden Sie im Beitrag  „Peru: Das VRAE heißt nun VRAEM“.

* Die Grafik zeigt nur einen Ausschnitt

** DS. 003-2007-DE

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