Kommentar: Wahlkampf mit Bagua

Das Wort „Bagua“ wird immer mehr zu einem Kampfbegriff im laufenden peruanischen Präsidentschaftswahlkampf. Die Art seiner Verwendung zeigt aber, wie wenig Perus politische Klasse seit dem gewaltsamen Ende des Ureinwohner-Aufstandes am 5. Juni 2009 in der Nähe von Bagua Grande (deshalb „Baguazo“) hinzugelernt hat. Zunächst hatte Carlos Bruce, Kampagnenmanager des Kandidaten und Ex-Präsidenten Alejandro Toledo ein Fernsehduell in Bagua vorgeschlagen – ein vergiftetes Angebot  an Mercedes Aráoz, eine ehemalige Ministerin, die inzwischen ihre Kandidatur aufgegeben hat und die von Menschenrechtsgruppen als Baguazo-Mitverantwortliche angesehen wird.

Nun hat auch der Präsidentschaftskandidat Manuel Rodriguez Bagua wieder als Ort für eine Debatte aller Anwärter auf die Nachfolge Alan Garcías wieder ins Spiel gebracht. Das war einerseits clever und weißt auf ein großes Loch in den politischen Programmen den meisten seiner Gegenkandidaten hin. Denn dort liegt der Fokus vorwiegend auf den Themen Infrastruktur, wirtschaftliche Stabilität, innere Sicherheit und soziale Sicherung. Ohne Frage, alles wichtige Themen, die jede neue Regierung schnell anzugehen hat. Ein Thema aber führt seit Jahren in Peru zu noch viel größeren Konflikten. Es ist die Frage, wie man im Peru der Zukunft in einem Land friedlich zusammen leben kann, das eine unglaubliche Menge verschiedener Kosmovisionen, Religionen und Sprachen beherbergt. Das ist es, was Bagua symbolisiert, auch wenn manche politischen Entscheider und auch Aktivisten das Problem gerne auf die Formeln „Konflikt um Bodenschätze“ oder „Konflikt um Grundeigentum“ reduzieren möchten.

Die Frage ist allerdings, ob das Wort „Bagua“ dafür wirklich als Symbol taugt – und damit Bagua als Austragungsort für ein Fernsehduell qualifiziert. „Bagua“ steht für einen Ort, an dem Indigene und Mestizen aufeinandertreffen. Was aber  erschreckend viele Präsidentschaftskandidaten offensichtlich nicht wissen: Es gibt zwei Baguas. Ein Bagua, „Bagua Chica“ oder auch „Bagua Capital“ genannt, ist wirklich Ort eines solchen Zusammentreffens. Dieses Bagua ist allerdings nicht der Ort, der dem „Baguazo“ seinen Namen verlieh. Das ist Bagua Grande, wenige Kilometer entfernt. Hier sucht man allerdings vergeblich nach indigenen. Dort leben vorwiegend Mestizen, die von vorwiegend von der Reisindustrie und dem Handel leben. Dass ausgerechnet hier die Ureinwohner für mehrere Wochen zum Protest die Straße blockierten, hatte vor allem pragmatische Gründe: Durch Bagua Grande geht die nächstgelegene wichtige Verkehrsroute zwischen der Küste und Perus Nordosten, es war also mit dem größtmöglichen politischen Echo zu rechnen.

Generell ist es nicht schlecht, mehrere Debatten an den verschiedenen Enden Perus zu fordern, wie es dieser Tage verschiedene Zeitungskommentatoren tun, denn jede, auch klimatische Zone hat eigene Probleme und Themen. Ob aber Bagua Grande als Prototyp einer Regenwaldstadt taugt, in der Mestizen und Indígena aufeinandertreffen, ist mehr als fraglich.

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