Perus (vermutlich) künftiger Präsident: Luis Castañeda Lossio

Castañeda erklärt einen Tunnel. Foto: ANDINA/Jorge Paz

Castañeda erklärt einen Tunnel. Foto: ANDINA/Jorge Paz

Wohl kaum ein anderer Präsidentschaftskandidat zur Wahl im kommenden Jahr stand bereits so früh fest wie der derzeitige Bürgermeister von Lima, Oscar Luis („Lucho“) Castañeda Lossio. Einzig die Kandidatin des Fujimori-Blocks, Keiko Fujimori war vermutlich schon länger gesetzt, allerdings – als Tochter des ehemaligen Diktators – aus familiären, nicht aus politischen Gründen.

Luis Castañeda, Kopf der von ihm gegründeten konservativen Mitte-Rechts-Partei Solidaridad Nacional und damit Mitglied im Parteienbündnis „Unidad Nacional“, wurde 1945 in Chiclayo (Region Lambayeque) geboren. Schon früh kam er mit der Politik in Kontakt, sein Vater, Carlos Castañeda Iparraguire, war Bürgermeister der nordwestperuanischen Stadt.

„Comunicore-Skandal“: Schießpulver für politische Gegner

Derzeit steht der Politiker allerdings im Kreuzfeuer von Medien und Opposition. Grund ist der „Comunicore-Skandal“, Zahlungen der Provinzverwaltung Lima an die Briefkastenfirma „Comunicore“ in Höhe von mehreren Millionen Nuevos Soles. Es ging dabei um Schulden bei einem brasilianischen Unternehmen. Kurz nachdem das Geld, dessen Zahlung nie genehmigt wurde, an Comunicore überwiesen war, verschwanden die vorgeblichen Geschäftsleute von der Bildfläche. Als neue „Eigentümer“ tauchten plötzlich Menschen aus verschiedenen Armenvierteln der Hauptstadt auf, darunter mindestens eine Analphabetin. Selbst der peruanische Kongress nahm sich bereits des Themas an, die Opposition versucht nachzuweisen, dass auch der Bürgermeister von den Zahlungen Kenntnis hatte.

Keiko und Lucho Umfragen-Führer

Keiko Fujimori beim Wahlkampfauftakt. Bild: Fuerza 2011.

In den Umfragen gleichauf: Keiko Fujimori. Bild: Fuerza 2011.

Wenn dieser Skandal nun nicht über Castañeda hereinbricht, wird der Rechtsanwalt, der mehrere Jahre für die Weltbank in Mexiko gearbeitet hat, wohl am kommenden 28. Juli neuer peruanischer Präsident. Derzeitige Umfragen sehen ihn gleich auf mit Keiko Fujimori, dahinter in einigem Abstand Ex-Präsident Alejandro Toledo, der immer noch von sich behauptet, er habe über seine Kandidatur noch nicht entschieden – während seine Partei bereits Werbespots für ihn Schaltet. Ihm folgt der Nationalist Ollanta Humala. Dabei arbeitet seine erbitterte Rivalin um das Präsidentenamt eigentlich für Castañeda, da nach peruanischem Recht ein zweiter Wahlgang vorgesehen ist, sollte kein Kandidat über 50% der Stimmen erreichen. Das war bereits 2006 so, als der eigentlich wegen der ineffizienten Terrorbekämpfung und Korruptionsfällen während seiner ersten Regierungszeit Ende der 80er Jahre ungeliebte Kandidat Alan García in der Stichwahl gegen den Nationalistenführer Ollanta Humala gewann. Dieser hatte zuvor in der ersten Runde die meisten Stimmen auf sich vereinigen können. Die Wähler entschieden sich mit Alan García dann für das „mal menor“, das kleinere Übel – und gegen Humala, dessen Kurs, insbesondere gegenüber Hugo Chávez, nicht ganz klar wurde.

„kleineres Übel“

Diesmal wird die Wahl des „kleineren Übels“ wohl Castañeda auf den Präsidentenstuhl heben. Die Verurteilung des Ex-Diktators Alberto Fujimori – unter anderem wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Korruption – wirft einen dunklen Schatten auf die orangen T-Shirts der Fujimori-Anhänger, so dunkel, dass höchstens erneute Anschläge einer wiedererstarkten „leuchtenden Pfad“-Terrororganisation in Lima diese Wahl drehen könnten. Darauf werden aber wohl selbst die Fujimoristen nicht hoffen.

Zu Gute kommen wird Castañeda dabei vor allem, dass er nach nun fast sieben Jahren als Bürgermeister der Provinz Lima einiges vorzuweisen hat. Damit im Wahlkampf zu werben ist in Peru zwar seit einigen Monaten verboten. Die allesamt in der Hauptstadt Lima ansässigen großen Medienunternehmen werden aber wohl dafür sorgen, dass Castañeda in alle Winkel des Landes bekannt wird. Wer Lima im vergangenen Jahrzehnt besucht hat, dem ist auch nicht entgangen, dass sich die Stadt verändert hat. Sie ist nicht nur weiter – vor allem in die Wüste – gewachsen, es wurden auch zahlreiche Straßenzüge etwas begrünt, Straßen und Kreisverkehre modernisiert, die nun seit über 20 Jahren im Bau befindliche Hochbahn vorangetrieben und mit der Einrichtung eines relativ modernen Bussystems begonnen. Auch die Erneuerung von Parkanlagen, sowie die Etablierung der – etwas undurchsichtig organisierten, aber auch für die peruanische Mittelklasse bezahlbaren – „Krankenhäuser der Solidarität („Hospital de la Solidaridad“), in denen private Kliniken von der Provinz verwaltet unter einem Dach relativ hochwertig medizinische Dienstleistungen anbieten, haben die Lebensqualität vieler Bewohner von Lima ohne Frage erhöht und „Lucho“ damit eine enorme Popularität eingebracht. Ob der massive Einsatz eigener Sicherheitskräfte die Sicherheitslage in Lima wirklich verbessert hat, ist bisher auch noch nicht belegt. Allein ihre Existenz vermittelt aber in vielen Teilen der Stadt ein subjektives Sicherheitsgefühlt.

Provinzverwaltung Lima-Werbetafel. Bild: D. Raiser / INFOAMAZONAS

Provinzverwaltung Lima-Werbetafel. Bild: D. Raiser / INFOAMAZONAS

Großmeister der Eigenwerbung

A propos Werbung im Bürgermeisteramt: Als vor wenigen Monaten ein Gesetz verabschiedet wurde, das Bürgermeistern die Nennung ihres Namens auf städtischen Bauwerken verbot, meinten mehrere Kongressabgeordnete, das Gesetz hätte einen Namen: Luis Castañeda. An keiner Straßenecke konnte man ihm entkommen, auf kleinen Fähnchen an jeder Straßenlaterne, an Baustellenabsperrungen, auf überdimensionalen Werbetafeln und selbst eingebaut in die Wasser-Licht-Spiele im „Wasserpark“ neben dem peruanischen Nationalstadion war das Leitwort seiner Amtszeit geschrieben „Construyendo“ („am Bauen“), zwei Linien in blau und gelb und in großen Lettern: „Luis Castañeda Lossio“. Das war und ist in Peru nicht ungewöhnlich, kaum ein Bürgermeister verzichtete auf solche Eigenwerbung. Aber der Hauptstadtbürgermeister war ihr Großmeister.

Noch ist Castañeda aber nicht Präsident und neben dem „Comunicore“-Skandal könnte ihm noch ein anderer gefährlich werden. Castañeda war während der Fujimori-Diktatur nicht nur Chef einer der staatlichen Krankenversicherungen, sondern auch der staatlichen Fischerkranken- und Rentenversicherung, die bis heute immer wieder Probleme hat, die Versicherten rechtzeitig zu auszubezahlen. Mehr als eineinhalb Jahre stand er an der Spitze der Versicherung.

Kontinuität

Darum gehts: Präsidentenpalast in Lima. Foto: D. Raiser / INFOAMAZONAS

Darum gehts: Präsidentenpalast in Lima. Foto: D. Raiser / INFOAMAZONAS

Auch wenn noch-Präsident García nie eine klare Wahlaussage gemacht hat und seine eigene Partei, APRA, bislang keinen Kandidaten ins Rennen schickte, hielt er sich bislang mit scharfer Kritik an Luis Castañeda zurück. Für García wäre dieser ein Traumkandidat. Er würde wohl nicht nur dessen extrem wirtschaftsliberalen Kurs fortsetzen, sondern ebenfalls einiges Geld in Sozialprojekte mit hoher Breitenwirkung und den Rest in wenige riesige Prestigeprojekte investieren würde. Ob das für das Land gut wäre, steht auf einem anderen Blatt. Luis Castañedas Visionen sind, ähnlich wie Garcías, bislang eher technischer Natur. Größere Debatten oder gar ein demokratischer Diskurs mit möglichst vielen Beteiligten und betroffenen Seiten sind nicht seine Sache. Wichtiger wäre ihm wohl vor allem ein hohes Wirtschaftswachstum. Themen wie die Einbindung der Ureinwohner in den politischen Prozess würden vermutlich auch unter seiner Regierung nur als Anhängsel des Bildungs- oder Kulturministeriums abgehandelt. Das muss nicht schlecht sein, sagt aber insbesondere in Peru, wo die wichtigsten Entscheidungen weiter zentral von der Regierung getroffen werden, viel über die Stellung eines Themas aus.

Wirkliche Konkurrenten bislang nicht in Sicht

Wohl chancenlos: Yehude Simon. Foto: ANDINA

Wohl chancenlos: Yehude Simon. Foto: ANDINA

Wollen sie einen Präsidenten Castañeda verhindern, müssen sich seine Mitbewerber schwer ins Zeug legen. Keiko Fujimori müsste auch andere Themen als die von ihr als „ungerecht“ empfundene Gefängnisstrafe ihres Vaters besetzen und auf ein Wiedererstarken des Terrorismus „hoffen“. Alejandro Toledo müsste die Erfolge seiner Regierung wieder ins Gedächtnis rufen und die Misserfolge vergessen machen. Der Umweltschützer Marco Arana müsste es überhaupt einmal schaffen, über ein anderes Thema als die Folgen des Bergbaus befragt zu werden und daneben seine noch sehr junge Partei im ganzen Land zu festigen. Ex-Premier Yehude Simon müsste seine Beteiligung an den Zusammenstößen zwischen Polizei und Indígena bei Bagua etwas glaubhafter darstellen. Dann besteht in Peru natürlich wie immer auch die Möglichkeit eines „Outsiders“, der wie Alberto Fujimori zu Beginn der 90er Jahre im Durchmarsch die Wahl für sich entscheidet. Ansonsten wäre Oscar Luis Castañeda Lossio als neuer Präsident gesetzt.

Den peruanischen Staat käme zumindest der Umzug günstig: Luis Castañeda bräuchte nicht einmal einen Umzugswagen. Von seinem Rathaus zum Präsidentenpalast sind es nur wenige Meter.

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